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Eine Handvoll Venus ...

"Das Schema vom Arbeitsvertrag B war mir inzwischen klar. Man wurde seine Schulden niemals los. Teil des Systems war, dass man ohne weiteres Kredite bekam, desgleichen die vielen Verlockungen, die einen praktisch zwangen, von allen Krediten Gebrauch zu machen. Wenn ich pro Woche mehr als zehn Dollar im Rückstand blieb, schuldete ich Chlorella am Ende meines Kontraktes eintausendeinhundert Dollar und müsste weiterarbeiten, bis meine Schuld getilgt wäre. Und während ich arbeitete, würden sich neue Schulden anhäufen.”

Eine Welt im Griff der Werbeindustrie; Menschen deren einzige Aufgabe es ist, möglichst ideale Konsumenten abzugeben und so die Profite der Verkäufer zu sichern - der Roman von Frederik Pohl und Cyril M. Kornbluth beschreibt eine bedrückende Gesellschaft, die auf bedingungslosen Konsum eingerichtet ist. Während die Umwelt zerstört ist, die Rohstoffe erschöpft sind und statt Nahrungsmitteln nur noch geschmacklose Ersatzstoffe angeboten werden, haben zwei gigantische Reklamekonzerne die Welt unter sich aufgeteilt. Ein ganzer Kontinent wurde zu einer einzigen automatisierten Fabrik umgewandelt, ein anderer Kontinent ist ein einziger riesiger Absatzmarkt. Die Regierung ist nur noch eine “Börse für Beziehungen”. Nun steht die Eroberung der Venus auf der Tagesordnung und ein tödlicher Konkurrenzkampf beginnt. Aber der spannende Roman berauscht sich nicht an den apokalyptischen Bildern, sondern ist ein Plädoyer für die Vernunft. Es gibt Hoffnung für die betrogene und manipulierte Bevölkerung. Sie tritt in Gestalt einer geheimnisvollen Untergrundbewegung, den sogenannten “Natschus” - Naturschützern, auf. Und diese Natschus sind viel mehr, als die Grünen unserer Zeit mit ihren verschwommenen Vorstellungen von Umweltschutz. Diese straff organisierte Bewegung mit einem klarem sozialen Konzept, das weit über den Umweltschutz hinausgeht, ist schon eher kommunistisch zu nennen. Es ist erstaunlich, wie von den Autoren schon 1953 die Naturzerstörung einerseits, sowie andererseits die manipulativen Methoden der Werbung und der Politik vorhergesehen wurden. Da sind zum Beispiel die Verbraucher, die alle über die Werbung schimpfen und sagen, dass sie sich nicht davon beeinflussen lassen - ohne zu merken, dass die Werbung trotzdem funktioniert. Sicher ist manches auf die Spitze getrieben, aber wenn man sich an den ‘Iraq-Krieg erinnert, als eine Werbeagentur “Zeugenberichte” fingierte, um die US- bzw. Weltbevölkerung für den Krieg zu gewinnen, dann erscheint es auch nicht mehr weit hergeholt, dass Konsumenten schleichend vergiftet werden, um sie von ganzen Produktpaletten abhängig zu machen.

“...‘Also zu Coffiest‘, sagte er. ‚Wir verteilen Proben in fünfzehn Schlüsselstädten. Unser normales Angebot - dreizehn Wochen kostenlos Coffiest, tausend Dollar in bar und ein Wochenendurlaub an der Ligurischen Riviera für jeden, der mitmacht. Aber - und aus diesem Grunde ist die Kampagne, jedenfalls meiner Meinung nach, wirklich fantastisch - jede Coffiestprobe enthält drei Milligramm einfaches Alkaloid. Nicht schädlich. Aber auf jeden Fall besteht Gewöhnungsgefahr. Nach zehn Wochen haben wir den Kunden lebenslänglich. Eine Kur würde mindestens fünftausend Dollar kosten, es ist also einfacher, weiterhin Coffiest zu trinken - drei Tassen zu jeder Mahlzeit und eine Kanne auf dem Nachtschrank, wie’s auf dem Glas steht.‘...”

Besonders erschütternd ist die Beschreibung der Lebensumstände der Arbeiter in der Fleischfabrik. Viele Intellektuelle bzw. überhaupt “Wohlstandsbürger” aus entwickelten Staaten können sich kaum vorstellen, wie Millionen Menschen leben und arbeiten müssen, um überleben zu können. Wenn man bis zum Umfallen arbeitet, bleibt kaum noch Zeit für anderes, weder für Privatleben, noch für Kultur oder zum Nachdenken. Vielleicht sollten sich das die Leute zu Herzen nehmen, wenn sie sogenannte “Scheinasylanten” beschimpfen, die nichts anderes wollen, als nicht mehr unter den menschenunwürdigen Bedingungen in ihren Geburtsländern leben zu müssen. “Eine Handvoll Venus und ehrbare Kaufleute” (Originaltitel: “The Space Merchants”) ist ein sozial engagiertes Buch, das sicherlich nicht leicht zu erhalten sein wird. Trotzdem sei es jedem empfohlen, der sich für die Gefahren, die unserer Gesellschaft drohen, und für die Alternativen dazu interessiert. Denn es zeichnet ein literarisches Bild einer manipulistischen Gesellschaftsordnung, obwohl die theoretisch-soziologische Beschreibung des Manipulismus erst jetzt in den Neunzigern im Entstehen begriffen ist. Es ist damit trotz seines “Alters” aktueller denn je.  K.H

 

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Letzte Änderung: 27. März 2000 - © Science & Fantasy 1998-2000